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13
Jan
2010

Die Unternachtfragmente

Ausprobieren

Wenn sie die Augen schließt, was ihr nicht schwer fällt, hier, im gleißenden Sonnenlicht, sieht sie sich selbst – neben einem untersetzten Typen auf einem überdimensionalen, palmenbedruckten Strandlaken liegend. Sie fragt sich dann, ob sie das Ferienhaus abgeschlossen hat. Sie denkt an ihren Schmuck, an das Geld in der Reisetasche, an Zeitungsmeldungen und an den Vermieter. An ihren Vater. Und idiotischerweise an den Hund der Nachbarin.
Sie versucht, sich selbst zu beruhigen und Zugehörigkeit zu demonstrieren, indem sie ihren Kopf auf dem weichen Oberarm ihres Begleiters platziert. Dieser jedoch, rückt ärgerlich brummend ab. Der Mann richtet die gut genährten Gliedmaßen noch einmal bedächtig aus und beginnt kurz darauf, tief und gleichmäßig zu atmen. Als er schließlich schnarcht, erhebt sie sich leise und eilt im Schatten der Dünen davon.
Im Vorübergehen nimmt sie sich eine Handvoll Glaskiesel vom Wegesrand. Sie hätte auch von den blauen Edelsteinen nehmen können. Oder den roten. Vom Goldstaub.
Sie wählt Glaskiesel, weil sie glatt und kühl sie in der Hand liegen wie die Kindheit. Weil die Welt weich wird, wenn man durch sie hindurchzusehen sucht. Weil sie wie Wasser sind: hell hund silberfarben.
Sie eilt an einem bärtigen Mann vorbei, der ein Holzkreuz schnitzt. „Gestorben wird immer!“, ruft er ihr gutgelaunt zu.
Die Glaskiesel knirschen leise, wenn sie sich in den Handflächen berühren.
Das schilfgedeckte Haus ist verschlossen. Natürlich. Sie hätte es wissen müssen, denkt sie. Im Geiste verflucht sie ihren Zwang zur Kontrolle. Sie wird zurückgehen zum Strand. Sich auf das Laken neben den Übergewichtigen legen. Die Augen öffnen. Auch, wenn es nicht leicht fällt. Im gleißenden Sonnenlicht. Und lächeln. Über sich selbst. Und die anderen.

Über die Bedeutung eines Wortes

Das Zimmer im Hinterhof war eine Notlösung gewesen. Es lag zu ebener Erde.
Die Einrichtung: dürftig und überschaubar. Ein Schrank, ein Bett, ein Tisch, zwei Stühle.
Eine Tür führte in einen Garten hinaus. Links stand ein mächtiger Baum, dessen weiße Blüten dem Wind entgegenwuchsen. Keiner kannte seinen Namen und auch, ob die spät im Jahr reifenden Früchte essbar waren, vermochte niemand zu sagen.

Sie durfte nicht davon reden, dass sie den Garten schon seit Anbeginn der Zeiten kannte. Die Augen des Mannes hatten sie inständig darum gebeten. Sie wollte niemanden verletzen. Aber einmal kroch ihr ein Wort über die Lippen. Ein verräterisches Wort, das von ihr erzählte. Weil dieses Wort da war, war da auch die Vergangenheit. Im Hier. Und jetzt wurde ihr das Herz schwer und sie sammelte wieder und wieder die heruntergefallenen Blütenblätter in ihre Schürze. Immer neue Blüten fielen neben ihr ins Gras.

Sie wünschte sehr, sie könne in den Raum zurückgehen. Sich auf einen der Stühle setzen und einfach in den Garten hinausschauen.

Ihre Hände griffen derweil in die Luft, um die herumwirbelnden Blätter zu fangen. Sie griffen ins Leere.

In Angst

Als es mitten in der Nacht an der Tür klingelt, erschrickt sie. Ihr Mann erhebt sich aus dem Bett, entriegelt hastig die Wohnungstür und stürzt hinunter in den Hausflur.
Sie hört Stimmen, Keuchen und das blecherne Scheppern der Briefkästen.
Auch der alte Vater ist vom Lärm wachgeworden. Er steht jetzt hinter ihr im zerknitterten Schlafanzug. „Schließ die Tür“, fordert er leise und nachdrücklich. Er langt nach der Kette. Schon hört sie, wie mehrere Personen nach oben gerannt kommen. Sie weiß nicht, was sie tun soll.
Dann aber drückt sie mit aller Kraft die Tür zu und dreht den Schlüssel im Schloss. Gerade noch rechtzeitig.
Von Außen wird geklopft, geschrien und gehämmert. Mehrere Männer sprechen in einer Sprache miteinander, die sie nicht versteht.

Unverständliche Dialoge

Sie (beschwichtigend): „Manchmal ist die Nacht eben nur eine Nacht.“

Er: „Ja. Man fällt mit ihr durch ein Sieb und es bleibt nicht einmal Schwärze zurück.“

Sie: „Nur ein Geräusch, das man erst bei Tageslicht versteht.“

Er: „Weißes Tuch, das sich in den Apfelbäumen verfangen hat. Auf einmal hört man es.“

Sie: „Dieses Geräusch. Es umfängt einen wie ein viel zu großer Mantel, der nicht wärmt."


Voraussicht?


§ 5

Bewerber, bei denen veränderte ATM-Gene festgestellt werden, kommen für eine Tätigkeit in unserem Unternehmen nicht in Betracht.

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