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20
Dez
2009

2009

Das Jahr 2009 war kein gutes Jahr. Es war überschattet von der schrecklichen Krankheit meiner Mutter: sie musste mehrere Operationen, eine Chemotherapie und Bestrahlungen über sich ergehen lassen. Wie wir glücklicherweise erst jetzt wissen, war sie in einigen Phasen der Behandlung dem Tod näher als dem Leben. Es war eine schwere Zeit. In erster Linie für meine Mutter, aber auch für meinen Vater und den Rest der Familie.

Dennoch käme es mir undankbar vor, wenn ich von einem durchgängig schlechten Jahr zu reden würde.

Momentan geht es meiner Mutter Gott sei dank relativ gut, sie ist auf dem besten Wege, wieder zu sich selbst zurückzufinden. Eine Kur am Meer wird ihr hoffentlich dabei helfen.

Und auch wenn es vermutlich saudoof klingt: es gab auch während dieser schlimmen Wochen und Monate Momente größter Intensität und Nähe. Unendlich wertvolle Momente. Und immer wieder die Erkenntnis, dass man hier und jetzt lebt und jeden Tag als Geschenk betrachten muss.

Anfang des Jahres las ich in der „Zeit“ irgendwo, dass sich die jetzt 40-jährigen auf den Abschied von ihren Eltern vorbereiten (müssen). Ich war innerlich entrüstet. Was für ein Quatsch, dachte ich. Einen Monat später hatte meine Mutter ihren Befund…

Ich hoffe sehr, dass sich der Kampf gegen die Krankheit für meine Mutter gelohnt hat und noch viele gemeinsame Jahre vor uns liegen. Aber mir ist auch, zum ersten Mal in meinem Leben, bewusst geworden, dass sich von einer Minute auf die andere ALLES ändern kann.

Viele Dinge erlangen vor diesem Hintergrund eine andere Wertigkeit.

Dass meine Kinder gesund sind und sich gut entwickeln ist wichtig. Ein unaufgeräumtes Zimmer, eine schlechte Note, lästige Strafzettel der minderbemittelten Stadtpolitessen, kaputte Waschmaschinen, Überstunden … - alles ärgerlich, aber nicht wirklich schlimm.

Das kleine Kind ist eigentlich schon kein kleines Kind mehr. Es hat sich, mit ein paar Anlaufschwierigkeiten, gut an der höheren Bildungsanstalt eingelebt. Sein sonniges Gemüt ist oft Balsam für meine Seele, aber manchmal treibt mich das planlos-chaotische Verhalten auch in den Wahnsinn. Im November war das kleine Sonnenkind ein Schweinegrippenkind. Und es war auch noch einmal ein Mamakind mit ganz viel Verlangen nach Zuneigung und Streicheleinheiten. Wir haben die Zeit genossen, als es uns beiden wieder besser ging. Und wieder musste ich denken: hier und jetzt schläft dieser schnaufende kleine Junge im Bett neben mir. Ich sollte diesen Zustand genießen. Auskosten. Denn die Zeiten ändern sich bekanntlicherweise.

Das Mittelkind wächst und wächst. Die Schuluntersuchung erbrachte wieder den üblichen Kommentar. „Zu groß“. Manchmal habe ich Lust, die Jugendärztin einmal zu besuchen und sie zu fragen, was ich mit dieser Bemerkung anfangen soll. Soll ich dem Knaben jeden Abend eins auf die Birne geben, damit er ein bisschen schrumpft? Pah! Die Größe seiner Eltern ließ nun wirklich nicht erwarten, dass er ein Zwerg bleibt. Und überhaupt. Ich mag große Männer mit einem gesunden Selbstbewusstsein viel lieber als komplexbehaftete Wichte.

Das große Kind nutzte das Jahr 2009, um heftigst vor sich hin zu pubertieren. Das ging selbstverständlich einher mit einer bahnbrechenden Schwierigwerdung der Eltern bzw. der Mutter. Ich hoffe inständig, dass der liebe Gott mir stabile Nerven für weitere Kämpfe an der Zickentochterfront gibt. Und diversen Mitmenschen ein paar Gramm Hirnmasse. Wenigstens vorübergehend. Das wäre echt toll.

Unsere Omanreise im Februar 2009 hat uns alle ein wenig verändert, glaube ich. Unsere Sicht auf die Welt ist eine andere geworden. Die Freundlichkeit, mit der uns die Menschen des Landes begegnet sind, hat uns alle beeindruckt. Die Erinnerung an die Landschaften Arabiens wird mich immer begleiten. Ich bin dankbar, dass die Kinder diese Erfahrungen mit auf den Weg bekommen. Vielleicht helfen sie ihnen später einmal dabei, anderen Kulturen und Religionen gegenüber tolerant zu sein. Ich würde mir das sehr wünschen. Ich finde, es gibt nichts Dümmeres, als etwas abzulehnen oder zu verdammen, das man im Grunde genommen gar nicht kennt. Nur vom Hörensagen kennt. Oder überhaupt nicht kennen will. (Grüße an die Eidgenossen an dieser Stelle.)

Ich war 2009, zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung, das erste Mal in meinem Leben in München. Ich hatte eine tolle Zeit dort. Auch der Besuch bei Thomas Bernhardt in Ohlsdorf/Österreich gehört zweifellos zu den Highlights des Jahres.

Hamburg im Herbst war klasse. „Der König der Löwen“ war für die Kinder ein Erlebnis. Ich war vom hanseatischen Charme der Stadt begeistert. Vielleicht ergibt sich im kommenden Jahr noch einmal die Gelegenheit, in den hohen Norden zu reisen. Ich hoffe das!

Ich mochte die Sommerwoche im Spreewald (Schloss Branitz!!!!) und die vierzehn Tage am Rhein. Die Zeit mit dem Neffen und der Nichte.

Ich habe in diesem Jahr wenig geschrieben. So wenig, wie noch nie. Ich habe auch relativ wenig fotografiert, Ich hatte vollauf damit zu tun, meinen unpoetischen/nicht fotogenen Alltag auf die Reihe zu kriegen. Ich merke allerdings jetzt, da sich die Zustände wieder ein bisschen stabilisiert haben, dass ich Lust auf neue Texte und Fotos bekomme. Ich habe viele Ideen und weiß, dass diese sich Bahn brechen werden. Und diese Gewissheit ist auch etwas, das mich sehr froh sein lässt, jetzt, in den letzten Tagen des Jahres 2009.

Die Bücher des Jahres 2009 sind für mich „Die italienischen Schuhe“ von Mankell und „Ruhm“ von Kehlmann. Ich freue mich darüber, dass mir ein vorfristiges Weihnachtsgeschenk, „Alte Liebe“ von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder, die Adventszeit verschönert hat.

Ich habe viele Filme gesehen in diesem Jahr. Viel Mist. Filme, die man sofort wieder vergisst. Unvergesslich bleibt für mich „Der Vorleser“, über den ich schon an anderer Stelle schrieb. Unvergesslich bleibt für mich „Slumdog Milionaire“.
Und eingeprägt hat sich schließlich auch „Verblendung“.

Insgesamt betrachtet habe ich immer weniger Vergnügen an den amerikanischen Blockbustern. Ich mag zunehmend skandinavische Filme. Produktionen von unbekannteren Regisseuren, die mir die Welt oft auf eine viel differenziertere Weise zeigen, als das die Hollywoodgrößen tun.

Dass ich Fernsehen nicht mehr ertragen kann, die Seichtheit und Oberflächlichkeit der Talentshows und Filme, die von hundertmal Werbung unterbrochen werden, schrieb ich wohl schon einmal. Ich bin im Prinzip vollständig auf DVD-Konsum umgestiegen.

Musikalisch gesehen war das Jahr 2009 mager, irgendwie. Ich entdeckte den Soundtrack von „Into the wild“, den ich bis auf den heutigen Tag für einen der besten Soundtracks überhaupt halte. Ich stieß auf David Gray, den ich gern einmal in einem Konzert erleben würde. Und ich hörte Paolo Nutini in der Endlosschleife. Wenn man ihn nur hört, erwartet man eine Begegnung mit einem reifen Mann. Unglaublich eigentlich, dass diese Stimme zu einem Jüngelchen gehört.

Das Jahr 2009 war kein leichtes Jahr. Aber wenn ich die einzelnen Monate Revue passieren lasse, dann weiß ich, dass es trotz aller Widrigkeiten ein Jahr meines Lebens war, in dem wichtige Dinge geschehen sind. Und wieder
waren viele Menschen an meiner Seite, die mich unterstützt und mir Kraft gegeben haben.

Die Neuklosteraner, die Moritzburger, die Zuger, die Reinsberger, die Berliner
die Pöhlaer, alle Freiberger und auch die, die so weit in der Ferne sind, dass wir „nur“ und hauptsächlich per Telefon und mail Kontakt haben. Danke an euch alle!

Frau Heidenreich lässt ihre Lore in „Alte Liebe“sagen:
„Mit wie viel Unfug man sich beschäftigt. Wie viel Sinnloses man tut. Wie das Leben weitergeht und es wird Abend, und man liegt im Bett und fragt sich, wo der vergangene Tag ist, wozu er gut war, was er gebracht hat, wo ich eigentlich war an diesem Tag.“

Ich wünsche mir und allen Lesern dieses Blogs, dass unsere Tage sinnvoll ausgefüllt sind. Dass wir aneinander denken und füreinander sorgen. Und, dass auch das vermeintlich SINNLOSE einen Sinn hat. Vielleicht einen, den man nicht auf Anhieb erkennt.

In diesem Sinne: frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr!!!!

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