Immer, wenn ich von der Messe komme, glaube ich wieder ein bisschen mehr an die Menschheit. :-)
Dann bin ich voller guter Eindrücke und Gedanken. Ich kann noch eine Weile von interessanten Begegnungen und Gesprächen zehren.
Diesmal?
Zunächst ein Tiefschlag. Die Veranstalter verbuchen das Besucherplus in jedem Jahr als Gewinn. Leider geht damit auch einher, dass es zuweilen schwierigst ist, einen Platz in Lesungen zu ergattern. Erstmalig in 15 Jahren (?) gelingt es uns nicht, ins Landgericht vorzudringen, wo u.a. Jussi Adler-Olsen, Andreas Föhr und Ursula Poznanski lesen. Äußerst rüde werden wir 1,5 Stunden vor Veranstaltungsbeginn abgewiesen. Da ist guter Rat teuer, glücklicherweise habe ich noch irgendwie blass Heinrich Steinfest auf dem Schirm, der in der Bibliotheca Albertina lesen wird. Wir eilen hin und finden bequem Platz. Es wird ein schräger, lustiger Abend. Heinrich Steinfest liest aus "Das grüne Rollo". Ich nehme mir vor, mich damit, mit seinen Krimis und vor allem mit "Der Allesforscher" (im vergangenen Jahr für den Buchpreis nominiert) zu beschäftigen.
Am Samstag treffe ich mehrfach auf Arno Geiger.
http://www.arno-geiger.de/
Ich kenne von ihm momentan nur "Der alte König in seinem Exil", bin aber gespannt auf "Selbstporträt mit Flusspferd".
Außerdem lausche ich eine Weile Thomas Brussig.
http://www.thomasbrussig.de/
Er kommt mir, im Gegensatz zu Arno Geiger, ziemlich schwafelig vor. Ich kann diesen DDR-Sachen nicht viel abgewinnen,
mich langweilt die Thematik. Jedenfalls so, wie sie von Brussig angegangen wird. "Das gibts in keinem Russenfilm" steht jedenfalls nicht auf meiner Leseliste momentan.
Günter Grass nimmt auf dem Blauen Sofa Platz; um genau zu sein: er wird fast aufs Sofa getragen. Ich bin bestürzt, wie hinfällig er geworden ist. Ganz klein und zart. Als er und Wolfgang Herles allerdings gemeinschaftlich beginnen, über den toten Raddatz und seine (angebliche) Dekadenz herzufallen, flüchte ich von der Messe ins Museum der bildenden Künste Leipzig, wo man noch bis Ende Mai Paul Klee zeigt. Für meine Begriffe sehr empfehlenswert.
http://www.mdbk.de/ausstellungen/archiv/2015/paul-klee-sonderklasse-unverkaeuflich/
Am Abend liest Herta Müller im großen Saal der Bibliotheca Albertina Texte aus verschiedenen Werken, u.a. aus "Die Atemschaukel". Absolut beeindruckend. Fast zwei Stunden lang kann man die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören. Ich freue mich, dass der Abend ob der geschilderten schlimmen Rumänien-Erfahrungen nicht in Düstnernis versinkt. Herta Müller macht mir einen weniger harten, weniger verbitterten Eindruck als in den letzten Jahren. Ihre Wortcollagen bilden einen wunderbaren, fast heiteren Ausklang.
Neu erschienen ist: "Mein Vaterland war ein Apfelkern". Ich bin unschlüssig, ob ich das Buch lesen werde, weil ich nicht weiß, ob es nach "Die Nacht ist aus Tinte gemacht" und "Immer derselbe Schnee, immer derselbe Onkel" wesentlich neue Informationen bringt.
Der Abend indes bleibt unvergessen.
Am Sonntag höre ich noch Florian Henckel von Donnersmarck zu, er redet über Filme und Kino im Allgemeinen und Besonderen und gefällt mir in seiner Geradlinigkeit und Unaufgeregtheit sehr gut.
Übrigens versuchte ich am Freitag ein Exemplar der "Regentonnenvariationen" von Jan Wagner zu erwerben. In allen Leipziger Buchhandlungen AUSVERKAUFT. Das fand ich dann doch sehr bemerkenswert. Wenn die Menschheit Lyrik kauft, ist sie nicht verloren. Siehe Einleitung.
Ich freue mich auf die nächste Buchmesse.
nisavi - 16. Mär, 21:30