Zufallsbild

IMG_4526

22
Mai
2013

...

sarah kirsch ist gestorben.

http://www.youtube.com/watch?v=mvpuonzq3tY

21
Mai
2013

wetterfühlig

mein himmel - zerknülltes recyclingpapier
rauh eingerissen ausgefranst an den ecken
und wellig von verschüttetem wein

mit feuerfenchel will einer brand setzen
wieder flackern die flammen bevor sie verlöschen

wind rauscht durch die bäume
wirft äste auf asphalt und autodächer
wie funken fliegen blütenblätter umher

auf dem berg die windräder: riesenscheren
mit leisem surren schneiden sie
dreiecke aus diesem abend

mein himmel - zerknülltes recyclingpapier

was daraus wird
frag ich mich

26
Feb
2013

Von Ende und Anfang

wir queren den himmel.
rauchwolken ziehen über den fluss
und vertreiben die straßenköter.
für den einen moment
bietet der affengott masken feil am weg.
von uns bekommt er keine keine einzige rupie,
denn hier trägt jeder ein fremdes gesicht.
an diesem ort sind hände mächtig.
sie greifen ins schwarzweiß und teilen sich über
den ufern, an denen die kahlköpfigen sitzen
für dreizehn tage.
du blickst durch die finger:
sechs scharten, dein eigenes gefängnis.
es tötet das licht.
ein kehlblau streicht staubig die füße und kratzt.
auf deinen lippen kein wort.
erinnerung – ein tag unter dem meer.
wiesenblüten dorren
und zahnlose bettler sammeln löwenmünzen,
mahlen die hoffnung zu lichtlosem mehl.
an diesem ort entzündet die fackel den geöffneten mund.
hier endet alles und beginnt,
wenn ein wind aus den bergen die farben findet, befreit und neu mischt.

24
Feb
2013

21
Jan
2013

mit dir im lupenreinen

als hättest du unsere sprache verloren
und nur ein bodensatz tinte sei dir geblieben
sie ist rot, gelb, grün und, natürlich, orange, wie der sonnenaufgang über dem tal
du planst deine worte wie ein architekt
bemalst sie, schleifst sie glatt
legst du sie sorgsam auf gebauschten organza im schaufenster
streust duftende rosenblätter dazwischen

ich werde ganz zersprochen davon

zu schön will ich schreien, zu schön, viel zu schön
und einen stein ins glas werfen
das grelle, glänzende
mit straßendreck und stinkendem unrat beschmieren
kerben in die oberfläche schlagen
und, vor allem, den trüben winterhimmel über die blütenblätter werfen
zu schön, viel zu schön

mein leben ist keine bunte zickzacklinie hinter glas

31
Dez
2012

Jahresrückblick 2012

Im vergangenen Jahr habe ich keinen Rückblick geschrieben, ich konnte mich einfach nicht aufraffen und die Zeit war knapp, aber im Nachhinein hat er mir gefehlt. Die persönliche Bilanz kann ja durchaus wichtige Impulse für das neue Jahr enthalten, insofern will ich die letzten Stunden von 2012 nutzen, um noch einmal auf Vergangenes zurückzuschauen.

Das Jahr 2012 war ein ziemlich gutes Jahr für uns. Meinen Eltern und den Schwiegereltern geht, von ein paar Zipperlein abgesehen, gut, die Kinder sind weiter gewachsen, haben sich gut entwickelt. (Wir waren insgesamt nur zweimal in der Notaufnahme!!!)

Die Große begann im September bereits die 11. Klasse, das Abitur rückt also langsam aber sicher ins Blickfeld. Inzwischen hat sie auch berufliche Vorstellungen, sie will in Richtung „Entwicklungshilfe“ aufbrechen, beeinflusst ist diese Perspektive ganz sicher von ihrer Tätigkeit in der Namaste-Nepal-AG am Gymnasium. S. hatte ihren ersten „richtigen“ Freund, der viel bei uns in der Familie war. Ich mochte und mag ihn sehr gern, leider ist die Beziehung inzwischen zerbrochen. Eine ganz neue Erfahrung für mich, dies als „Außenstehende“ zu erleben.

Das Mittelkind ist zum Riesen herangewachsen, es überragt mich mittlerweile sehr, sehr eindrucksvoll. N. lernt in der 9. Klasse und kommt ganz gut zurecht in der Schule, was nicht heißen soll, dass immer Bestnoten erzielt werden. Er setzt Prioritäten und weiß genau, wann er unbedingt etwas machen muss. In seiner Freizeit nimmt er weiterhin Schlagzeugstunden und übt auch zu Hause viel. Daran, dass er zunehmend mit Freunden unterwegs ist, muss sich die Mama noch irgendwie gewöhnen.
Im April haben wir seine Konfirmation gefeiert und aus diesem Anlass einen ersten richtigen Anzug gekauft. Wie erwachsen er darin aussah! Zum Glück hat das exquisite Teil auch noch im November gepasst, denn da wurde Tanzstundenball zelebriert. Ich glaube, N. hat Spaß am Tanzen, was mich sehr freut. Männer, die tanzen können, sind cool. Ich hatte auf jeden Fall viel Spaß beim Ball.

(An der Stelle: auch 2012 habe ich weitergetanzt und meine diesbezüglichen Fähigkeiten zu vervollkommnen gesucht. Natürlich mit einem tollen Partner, der meistens Verständnis für meine großen Füße und deren Verirrungen hat. Auch Yoga habe ich tapfer weiterbetrieben, neben den wöchentlichen Lessons besuchte ich auch ein paar Workshops. Schwimmen habe ich immer „eingebaut“, wenn es zeitlich irgendwie ging. Ich glaube, ein bisschen „Sport“ tut mir ganz gut. Und Sauna auch.)

Königstochter Jüngster schlingert in gewohnter Manier durch die Welt. Man kann nicht behaupten, dass er den Ernst des Lebens begriffen hätte. Er lebt im Augenblick und genießt die schönen Dinge in vollen Zügen. Unangenehme Tatsachen und Situationen verdrängt er gern, was manchmal im Hinblick auf z.B. Schulnoten äußerst fatal sein kann. Er ist anfälliger und zarter, als sein äußeres Erscheinungsbild vermuten lassen würde. Im Urlaub wird er gern krank und er ist auch relativ schnell erschöpft. Dann wird er zum Mamakind, was ich genieße, denn ich weiß, dass diese Anhänglichkeitsanfälle die letzten ihrer Art sind. V. mag Tiere, und ich beobachte immer wieder, dass er ein besonderes Verhältnis zu ihnen hat. Ich mahne ihn stets zu Vorsicht und Wachsamkeit, aber er nimmt sich auch des räudigsten Straßenköters an, bislang ohne schlechte Erfahrungen, glücklicherweise.

An der Stelle muss ich leider auch notieren, dass wir in diesem Jahr zwei Katzen eingebüßt haben. Mephisto, unser kleiner schwarzer Kater, der erklärte Liebling der Kinder, wurde überfahren und Anfang November ist auch dessen Mutter, die flauschige Inge, verschwunden. Wir haben keine Ahnung, was ihr zugestoßen sein könnte. Wir haben lange gesucht, die Nachbarn haben gesucht – keine Spur von ihr. Ein blödes Gefühl, eigentlich hat man immer noch die Hoffnung, dass sie irgendwann zurückkehrt. Jetzt lebt nur noch Inges andere Tochter bei uns.

Was mir Sorge macht, ist die zunehmende Technikabhängigkeit der Kinder. Sie scheinen mir so fixiert auf ihre Handys und Computer. Ich habe das Gefühl, dass sie sich, zumindest zeitweise, selbst verlieren damit. Das finde ich schade und ich kann nur hoffen, dass mit zunehmendem Alter auch die Einsicht kommt, dass es wichtigere Dinge gibt als FACEBOOK und Computerspiele. Werde ich alt, wenn ich solche Gedanken habe?

Ich habe 2012 ganz offiziell auf der Leipziger Buchmesse gelesen, das war, abgesehen von den anderen schönen Messe-Erlebnissen, toll. Wir hatten wieder eine gute Zeit dort. Ich möchte dieses Märzwochenende nicht mehr missen. (G. und F., es ist bald wieder soweit! Diesmal geh ich nicht in die Apotheke.)

Und: ich habe auch dieses Jahr einen Literaturpreis gewonnen mit Preisverleihung und allem PIPAPO. Allerdings glaube ich, dass die Zeit der Literaturwettbewerbe 2012 für mich zu Ende gegangen ist. Ich mag meine Texte nicht mehr weggeben und anderen Leuten überlassen. Ich will auch nicht in irgendwelchen komischen Anthologien veröffentlicht werden, die nur der Befriedigung von Eitelkeiten dienen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich diesbezüglich neu ausrichten muss. Ich habe nicht sooo viel geschrieben, was ich bedaure. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dafür. Allerdings sind ein paar Texte in Nepal entstanden, die noch auf Überarbeitung warten.

Ich habe viel gelesen, wie immer. Im Sommer hatte ich plötzlich das Gefühl, dass meine Augen schlechter werden. Voller Panik konsultierte ich einen Facharzt, der mir bescheinigte, dass ich alt werde, mir jedoch vorläufig von einer Lesebrille abriet. Seitdem komme ich wieder klar mit den Büchern. Hjorth und Rosenfeldt habe ich entdeckt und auch J.K. Rowling „Ein plötzlicher Todesfall“ hat mir sehr gut gefallen.

Harry Rowohlt hat im Mai hier in der Stadt gelesen.

Musikalisch war das Jahr eher mager. Angekündigte Konzerte wurden leider abgesagt. Herausragende CDs fallen mir, abgesehen von Anna Depenbusch, Mumford&Sons und A.Morissette, kaum ein. Durch Zufall entdeckte ich Felix Meyer und seine Musik.

Im Theater war ich und habe mir dreimal den „Sommernachtstraum“ von Shakespeare angeschaut. A. war eine tolle Motte und ich denke insbesondere gern an die Vorstellung im alten Kloster zurück.

Wir hatten als Familie einen wunderbaren Sommer in Holland, sind dort viel Fahrrad gefahren und in Amsterdam auf Entdeckungstour gegangen. Unvergessen bleiben der Besuch im Anne-Frank-Haus und (vor allem!) das van Gogh-Museum. Man möchte in die Knie gehen vor den Bildern.

Im August habe ich mir einen Traum erfüllt und bin endlich einmal in Worpswede gewesen. Ich befand mich in sehr netter Gesellschaft und verbrachte drei nette Tage in der Malerkolonie. (Jaja, liebe L. und liebe Ch., die Jugendherberge war kein Viersternehotel, aber es war trotzdem lustig mit dem Shantychor „Geplatzter Strandkorb“.) Das Leben von Heinrich Vogeler, seine Bilder, haben mich sehr beeindruckt.

Im September trat K. in mein Leben, ein kleiner behinderter Junge, der im Rahmen eines Inklusionsprojektes in „meiner“ Schule lernt. Es ist schwierig, Wege zu finden, ihn am Lernprozess „normaler“ Kinder zu beteiligen, aber es ist auch neu, interessant und spannend. Uns stehen nette Kolleginnen und Kollegen zur Seite und die Ämter machen allen das Leben schwer.

Im Oktober, das kann man ja hier im Blog nachlesen, waren wir in Nepal. Eine Reise, die uns alle verändert hat. Wir haben dort sympathische, kluge Menschen getroffen, die wir nie mehr vergessen werden. Bei den Mitgliedern unserer Reisegruppe, bei D., M.,P.,U.,S.,D. und M., will ich mich an dieser Stelle noch einmal extra bedanken. Sie haben mein Hecheln, Nachluftschnappen, Ächzen und Stöhnen klaglos ertragen, mich mit zahllosen Gesprächen abgelenkt und aufgemuntert und die Kinder mit Traubenzucker verwöhnt. JEDERZEIT würde ich mit euch wieder auf große Reise gehen.

Aber natürlich wäre mein Leben nicht mein Leben, wenn ich nicht meine Verwandten und Freunde hätte, die mich täglich begleiten. Ich bin froh, dass sie alle da sind: die „alten“ und „neuen“ Kollegen, die Literaturfreunde, die, die ich hier ganz in der Nähe habe und die, die in der Ferne leben.
Manchmal stellt man fest, dass sich Bindungen lockern oder verlieren, aber ganz oft kann man auch nach langer Zeit wieder an etwas anknüpfen oder, auch das ist in diesem Jahr passiert, man lernt Menschen kennen, mit denen man sich auf Anhieb versteht.

Liebe Grüße an der Stelle stellvertretend an A. aus Gütersloh, die N. eine vorbildliche Patentante ist, liebe Grüße an die Gourmets vom Goldenen Horn und an die Schnitzerfraktion im Erzgebirge. Entschuldigungsgrüße an M. in E. – ich gelobe, wieder einmal anzurufen.
Und schließlich, für Ch. Und U. und L. : Mögen im, neuen Jahr viele schöne Weiberabende bei angenehmer Raumtemperatur stattfinden.

Wo befreundete Wege zusammenlaufen, da sieht die ganze Welt für eine Stunde wie Heimat aus.
(Hermann Hesse)

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen harmonischen Jahreswechsel und ein neues Jahr, in dem die Welt uns (wieder) Heimat sein kann.

28
Dez
2012

kathmandu

hoch über den dächern der stadt
gehst du leise zurück

in deine träume
klammern kleine frauen nachtschwarze raben
(und seidengelbe saris, leuchtende tücher)

im mauerwerk schlägt ein herz aus gletschereis

hoch über den dächern der stadt
gehst du leise zurück

in deine träume
treibt ein alter mann laute wut
(er winkt mit laken und bleicht verschlissene tauben)

in wasserleitungen schmilzt rostig der schnee

hoch über den dächern der stadt
gehst du leise zurück

in deine träume
spuckt ein müder babymund die guten geister des tals
(die mutter gießt weihnachtssterne in den restkaffee)

im schwarz deiner augen liegen berge
die sich nur zeigen, wenn du ihren anblick erträgst

11
Nov
2012

Nepal 2012

day 1

Auf dem Weg ins Epizentrum der Kaiserschnitte

Wir haben einen halbgaren, angefangenen Arbeitstag hinter uns, als wir uns auf dem Bahnhof treffen. Alle sind schwer bepackt und ein bisschen nervös.
Im Zug findet eine allgemeine Zeitungsschau statt. Die "Zeit "veröffentlicht am bewussten Freitag eine Deutschlandkarte, auf der die Häufigkeit von Kaiserschnitten verzeichnet ist. Wir stellen fest, dass wir aus dem Kaiserschnitt-Niemandsland ins Epizentrum der Schnittentbindungen reisen. Der Gedanke sorgt für allgemeine Erheiterung.
Der Abflug in Frankfurt verläuft ganz reibungslos, einmal abgesehen davon, dass wir unsere mächtigen Kraxen wieder aus den Packsäcken schälen müssen, deren Gebrauch uns zum Schutz des Gepäcks extra ans Herz gelegt worden war.
Ruckzuck finden wir uns morgens in Muscat wieder und werden für ein paar Stunden in ein Golden Tulip verfrachtet, wo wir noch einmal sehr gemütlich frühstücken und duschen. Ein Bummel auf der Uferstraße wäre uns weitaus lieber gewesen, aber dafür reicht die Zeit leider nicht.
Gegen zwei geht der Flieger nach Kathmandu, wo wir pünktlich 18.00 eintreffen. Wir werden herzlich begrüßt und über Holperwege ins Stadtzentrum gefahren. Die Szenerie ist fremd und ein bisschen furchteinflößend. Auf den Straßen wird Müll verbrannt, die Luft ist rauchgeschwängert und es kostet Überwindung zu atmen.
Wir checken im Anapurna-Guesthouse ein - sehr einfache, aber saubere, Zimmer, noch einmal mit Dusche und warmem Wasser.
Der Abend wird im Buddha-Garden, unter einem Pomelo-Baum, beschlossen. Es gibt leckeres Essen. Die männlichen Teilnehmer verkosten heimisches Bier. ("Ghorka")

http://www.gorkhabrewery.com/Pages/index.php?para=index&cat=index

Spät kriechen wir in die Schlafsäcke und lauschen beim Einschlafen den nächtlichen Geräuschen des Molochs. Streunende Hunde bellen immer wieder ins Dunkel, bis auch sie sich schließlich im Innenhof schlafen legen.


http://www.youtube.com/watch?v=j_nc5cv0d8E


day 2

up, up, up

Img_3713

Wider Erwarten haben wir so gut geschlafen, dass wir den Frühstückstreff fast verpassen. Wir sitzen noch einmal alle in einer Bäckerei zusammen, trinken gemütlich Kaffee und essen duftende Croissants. Dann, nach einem kurzen Einkauf (Wasser, Gebäck), trennt sich die "große" Reisegruppe und wir streben für reichlich zwei Wochen unterschiedlichen Zielen entgegen.
Der Bus bringt uns nach Borderlands, einem idyllischen Flecken am Bhotekoshi-Fluss. Ich kann dort endlich Königstochter Jüngste in Empfang nehmen, die bereits eine Woche Nepal-Vorsprung hat.

http://www.borderlandresorts.com/

Dann aber geht es hinauf nach Gati, in das Partnerdorf. Eine Stunde upupup, 1000 Höhenmeter zirka. Ein Alter aus dem Dorf begleitet uns, leichtfüßig und fröhlich singend springt er in seinen Badelatschen von Stein zu Stein. Ich versuche - JAPSEND UND ZUM ERSTEN MAL DEN SINN DER REISE HINTERFRAGEND - hinterherzukommen.Irgendwie kommen wir, komme ich schließlich an. Man hat uns schon vom Felsvorsprung aus gesehen und wir werden mit Blumenketten und Seidenschals herzlich willkommen geheißen.
Es wird dunkel und wir essen im Gemeinschaftsraum des Kindergartens zu Abend. Anschließend verbringen wir einige Stunden mit den Dorfbewohnern, singend und tanzend. Zum ersten Mal höre ich das Firiri-Lied, das mich die gesamte Reise über begleiten wird:

http://www.youtube.com/watch?v=iFpYVlTzHX4

Als sich der Abend dem Ende zuneigt,"teilen die Dörfler uns untereinander auf." Mein Großer und ich landen bei zwei stillen Schwestern, die uns ihren Schlafraum in der Lehmhütte zur Verfügung stellen. Kichernd löschen sie die Kerze im Raum.
Ich bin anfangs viel zu aufgeregt, um zu schlafen und versuche, die Geräusche in meiner Umgebung zu deuten. Über mir machen Mäuschen einen Nachtspaziergang...

day 3

Sippin' on Khukri Rum


Die Nacht war seltsam, unwirklich irgendwie. Es gelingt mir nach jeweils kurzen Nickerchen nicht, mich in der Lehmhütte wiederzufinden. Traumsequenzen und mein Bemühen, die Geräuschkulisse einzuordnen, fließen ineinander. Als ich das erste Mal die Augen öffne, erblicke ich eine alte Frau, die mit Räucherstäbchen im Raum herumwedelt. Vertreibt sie die bösen Geister? Ich dämmere noch einmal weg - bis uns die stillen Schwestern mit einem heißen Getränk wecken. Angesichts der eisigen Temperaturen im Bergdorf ist dies sehr willkommen, allein, ich kann bis heute nicht sagen, was ich da genossen habe. Buttertee? Oder Mustang-Coffee?

Wir frühstücken und begeben uns anschließend auf einen ausgedehnten Spaziergang. Wir bewundern den Wasserfall, ich sehe allerdings in Anbetracht der Nachricht, dass dort Blutegel beheimatet sind, von einer Dusche ab. Es nützt nix. Als ich am späten Nachmittag die Trekking-Sandalen abstreife, fällt ein (mit meinem Blute!!!) vollgesogenes Exemplar zu Boden und will, sich eigenartig bewegend, flüchten. Karma hin oder her, ich schlage das Ding zu (blutigem) Brei.

Wir sehen die Schul- und Kindergartengebäude, die Kaffeepflanzenfarm und die Tomatenplantage.

Nach dem Mittagessen werden wir höchst offiziell, wieder mit Blumenkränzen und Schals, verabschiedet. Jeder muss einzeln vorm Dorfvorsteher Platz nehmen und bekommt, neben einer Reihe von salbenden Worten, ein Tikka auf die Stirn gemalt. Die stillen Schwestern winken uns schüchtern zum Abschied und wir steigen wieder 1000 m herab nach Borderlands, duschen (warm!) und beziehen unsere Zelte.

Den Abend verbringen wir in unmittelbarer Nähe der Bar. Wir verkosten den ausgezeichneten nepalesischen Rum "Khukri" in verschiedensten Erscheinungsformen und Aggregatzuständen, nicht, ohne uns darüber klar zu werden, dass die Sauferei in wenigen Tagen ob der Höhe ein Ende haben muss...

Als ich spät ans Zelt komme, bewachen Gottesanbeterinnen den Eingang. Sie lassen sich auf die Hand nehmen und fotografieren.
Beim Freiluftzähneputzen stoße ich auf zwei heilige Kühe, die sich irgendwie hierher verirrt haben müssen. Mein Begleuter beruhigt mich, das seien NUR Kühe, aber als die Rindviecher nach lautem Gemuhe die Köppe senken und mit den Hufen (???) scharren, habe ich dann doch den Eindruck, dass sie Stierkampf mit uns spielen wollen. Ich rechne mir blitzschnell sehr, sehr schlechte Chancen aus und eile kreischend, die Zahnbürste an mich gekrampft, in mein Zelt.

Img_3612

day 4

Geh mer langsamm


Die Kühe stampfen in der Nacht vor den Zelten herum und geben komische Geräusche von sich. Trotzdem schlafe ich einigermaßen ruhig. Als ich früh aus dem Zelt krieche, habe ich eine atemberaubende Aussicht auf den reißenden Fluss, steil aufragende Berghänge, sonnenbeschienene Reisfelder und blauen Himmel. Ich schleiche mich eher vom Frühstück weg, um noch einmal am Wasser sitzen zu können.

Pünktlich holt uns ein klappriger Bus mit der Aufschrift "We are family" ab und bringt uns in 6stündiger Fahrt hinauf in die Berge. Dieser Fakt schreibt sich jetzt so simpel-theoretisch nieder. In der Praxis ist die Fahrt nervenzerfetzend. *gg* Wenn die Bremsen des Busses quietschen, beginnen die Männer über abgefahrene Bremsbeläge zu orakeln. Mehrfach befinden sich zwischen family-Bus und Nachbarfahrzeug 0,001 mm Luft. Wenn uns andere vollbeladene Busse mit Menschengepäck auf dem Dach "streifen", muss ich die Augen schließen. Ein paar Dutzend Hühner und Hunde entgehen nur knapp der Breitmatschung auf offener Straße. Und aus Straßen werden holprige Wege. Unsere Guides bzw. die Träger steigen an mehreren Stellen aus, um Wackersteine aus dem Weg zu räumen. Dort, wo es Erdrutsche gegeben hat, hören auch die Holperwege auf. Irgendwo gehen sie weiter. Immer himmelwärts.

Es ist trotz gelegentlicher Panikattacken meinerseits ein ganz außerordentliches Vergnügen, sich so durchs Land zu bewegen. Man muss sich irgendwo festhalten, um nicht durchs Vehikel geschleudert zu werden, aber ansonsten kann man nepalesischen Alltag ganz ungestört betrachten. Ein Blick in eine ganz fremde Welt. Man feiert außerhalb des Busses ein Fest, landesweit, so das alle Menschen, besonders die Frauen, schöne Kleidung tragen. Die Autos sind mit Blumenketten geschmückt und es wird überall geschlachtet. Fleisch wird auf Strippen getrocknet.

Wir machen eine kleine Teepause am Fluss und am POINT ZERO kaufen unsere Guides/Träger, inzwischen sind sie alle sieben an Bord, noch einmal Lebensmittel für die Tour.

Als wir in Shermatang ankommen, werden wir bereits erwartet. Es gibt nur schnell ein paar Schlucke heißen Orangensaft, dann nimmt uns der Schuldirektor der Schule in Empfang und zeigt uns seine Wirkungsstätte. An der Yangrima School, 1986 gegründet, 2001 geschlossen, 2009 wiedereröffnet, lernen die Kinder des Dorfes und umliegender Regionen. Für uns haben die Kinder - trotz des Feiertags -ein kleines Programm vorbereitet, sie tanzen und singen.

http://www.yangrima.org/school/index.html

Abendessen gibt es in einer heimeligen Küche. Die Lodgebetreiberin sitzt den ganzen Abend an der Feuerstelle und kocht und kocht. Es schmeckt uns hervorragend. Wenn neue Gäste kommen, wird weitergebrutzelt. Mit unerschütterlicher Ruhe und Gelassenheit.

Wir schwatzen noch ein bisschen bei Khukri-Rum und spielen Uno, dann gehts relativ zeitig ins Bett, weil für den nächsten Morgen 5.00 Wecken angesagt ist.

day 5

Zigzagging


Wir stehen sehr, sehr zeitig auf, um den Sonnenaufgang erleben zu können. Ein großer schwarzer Hund hat die ganze Nacht vor unserer Tür gewacht und diverse Toilettengänger verunsichert, die fürchteten, beim Zurückkommen für einen Einbrecher gehalten zu werden.

Wir wandern, ein bisschen in der Morgenkälte schlotternd, bergan. Vom Vorplatz des Klosters aus haben wir einen herrlichen Blick auf schneebedeckte Bergketten, die nach und nach in gleißendes Licht getaucht werden. Auch die Dorfbewohner beginnen ihr Tagwerk und es ist spannend, zu beobachten, wie sie Wasser holen, Feuer entfachen etc. Jeder einzelne von ihnen begrüßt uns mit einem freundlichen "Namaste".

Auch der Schulleiter ist wieder zur Stelle. Er lässt uns schließlich ins Kloster und erklärt uns die Innenausstattung. Dann führt er uns durchs Dorf und wir sehen ein weiteres buddhistisches Kloster.

Zum Frühstück gibt es ein köstliches grünes Omelett und frisches, warmes Fladenbrot. Derart gestärkt stellen wir uns der Herausforderung TREKKINGTOUR.

Am ersten Tag laufen wir "nur" reichlich vier Stunden "zigzag" über Stock und Stein nach Tarkeghyang, hauptsächlich auf einer Höhe bleibend. Der Rucksack allerdings wird doch ziemlich schwer, auch, wenn es anfangs gar nicht so aussah. Wir wandern durch Rhododendronwälder, die mit Flechten und Moosen behangen sind. Als wir die Lodge erreichen, gibt es ein köstliches Mittagessen und eine kalte Dusche ist auch noch drin. Mit uns steigt eine größere französische Reisegruppe ab, die unheimlich laut und schuhfixiert, aber auch sehr nett ist.

Wir kampieren diesmal in einem Achtmannschlafsaal und haben viel Spaß mit Michelinmännchen und Schlafsackraupen, BH-losen Schläferinnen und jungen Damen, die einfach nur etwas zur allgemeinen Verwirrung beitragen wollen und können. (Too much information.)

day 6

landslides


Die schuhfixierten Franzosen sind schon lange vor uns wach und frühstücken lautstark genau unter uns, sodass wir uns gegen 7 ebenfalls aus den Schlafsäcken schälen.
Nach einem reichhaltigen Frühstück tippeln wir los, vorerst 1,5 h abwärts, was mir persönlich überhaupt nix ausmacht (abgesehen von der psychischen Komponente > ich weiß ja ganz genau, dass auf downdowndown wieder upupup folgen wird), aber einigen "Kniemenschen" erhebliche Beschwerden bereitet.

Die Kinder eines Bergdorfes begrüßen uns aufgeregt, uns wir erst im Nachhinein klar, was sie den guides lautstark mitteilten. Unser Weg ist abgerutscht und wir müssen uns mühsam über matschiges Geröll hinweghangeln.

Schließlich überqueren wir den reißenden Fluss mittels Hängebrücke, auch immer so ein aufregendes Unterfangen, denn das Teil beginnt stets zu schwanken und nur in den seltensten Fällen sind alle Bretter vorhanden. Oft muss man mit einem großen Schritt und Blick auf das Wasser Lücken überwinden. Sogar der Lodge-Hund, der uns begleitet, bleibt winselnd an der Brücke sitzen...

Nach einer Rast (die Männer gönnen sich ein letztes Bier) steigen wir 3 h auf nach Melamchighyang. Der Rucksack wid verdammt schwer und der Guideguide Khumar betrachtet mein verzweifeltes Gekraxel und meine hochrote Birne besorgt. Dann ordnet er an, dass ich mein Gepäck abgeben muss und ich gehorche. Schließlich will ich nicht zum Bremsklotz für die Gruppe werden. Wir haben uns in das A-Team und das B-Team geteilt und erreichen von nun ab die Tageszielemit einem Abstand von ca. 30 Minuten.

Abends gibt es Popcorn und Kürbissuppe.

day 7

Strick-Chic


7.00 Aufstehen, Frühstück (Omelett+Muesli) und los gehts, vorerst "nepali-flat", was soviel heißt, wie "hoch und runter", dann schrauben wir uns von 2500 m hinauf auf 3610 m (Thare Pati), temporäre Erschöpfungszustände inklusive.

Auf der Lodge werden wir mit Lemon tea und Spagetthi empfangen, außerdem gibt es hier Selbstgestricktes und wir verfallen, auch in Anbetracht der Kälte, in einen Woll-Kaufrausch und decken uns mit Mützen, Socken, Handschuhen und Yakwolltüchern ein.

Abends gibt es wieder Nudeln, Kraut und Chapati-Brot, als Nachtisch die erste Immodium-Dosis. :-)

Die Nacht ist eiskalt, auch im Daunenschlafsack, und ich verbringe sie mit einem fremden Mann, der genau neben mir im Bretterverschlag liegt, mich anatmet und später schnarcht wie eine Herde Wildschweine.

day 8

soft hail


6.00 Wecken, 6.15 Sonnenaufgang und ein sensationeller Blick auf die Bergketten. Wir schlottern und frühstücken einmal wieder Spinatei.
Dann erwarten uns 7 h Aufstieg gen Phedi, echt anstrengend. Unterwegs gibt es einen kurzen Stopp mit Tee und Nudelsuppe.

Der Morgen ist klar, aber gegen Mittag fängt es an zu graupeln, was nett anzuschauen ist, aber mit der Zeit werden die Wege dann doch ein bisschen glatt.

Wir sehen herrlichen Enzian, den wir dann doch woanders vermutet hätten, und Kugelprimeln.

Die Erfahrenen unter uns sagen eine zugige Lodge voraus mit Toilette überm Wasserfall, wie erleichtert sind wir, als wir feststellen, dass man eine neue Lodge gebaut hat, in der es sich gut aushalten lässt. Wir nehmen wieder größere Mengen lemon tea zu uns, was uns bei den guides bereits den Namen lemon tea-group eingebracht hat, und später am Nachmittag klönen wir bei heißem Kaffee.

day 9

Accepting the challenge


Die Nacht war bitterkalt. Trotz Daunenschlafsack und mehrerer Bekleidungsschichten habe ich gefroren wie ein junger Hund. Königstochter Jüngster mag nicht aufstehen, er fühlt sich nicht gut und klagt über Verdauungsproblematiken. Im Laufe des Tages verstärken sich die Beschwerden, sodass die Sherpas ihn teilweise stützen und tragen müssen.

Wir erklimmen den Laurebina-Pass (4609 m), was sich jetzt wieder so einfach niederschreibt. Die Höhenmeter haben es in sich, aber die Aussicht ist erneut atemberaubend.


Wir sind alle stolz und glücklich, als wir die Gompa und die Gebetsfahnen erblicken.

Dann steigen wir zu den Gosaikunda-Seen ab. Zum Vollmond, im Juli/August, pilgern die Hindus hierher, um ein rituelles Bad zu nehmen. Der Legende nach sind die Zuflüsse der Seen entstanden, weil Shiva seinen Dreizack in den darüberliegenden Felsen gerammt hat.

Es ist ganz still. Über dem Ort liegt eine Atmosphäre, der sich keiner entziehen kann, die aber schwer zu beschreiben ist.

Img_4039

Am See sitzt ein Sadhu, der, so erzählt Khumar, gekommen ist, um zu meditieren und zu sterben. Am Abend sehen wir ihn in voller Montur in den eiskalten See steigen. Am nächsten Morgen ist sein Platz leer.

Die Pilgerherberge am Gosaikund-See (4381 m) ist weniger gemütlich. Wir frieren ein bisschen vor uns hin und leider geht es dem Jüngsten immer schlechter. Er hat inzwischen Fieber und Schüttelfrost und Khumar macht ein besorgtes Gesicht. Mit Mühe gelingt es mir, ihm eine halbe Schüssel Knoblauchsuppe einzuflößen. Als die Rede dann auch auf Helikopterabtransport kommt, ist es um meine Ruhe geschehen. Ich überprüfe in der Nacht stündlich den Zustand des Kindes und sorge dafür, dass es nicht friert.

Vorher verunglücke ich noch auf der völlig vereisten Toilette. Ich öffne die Tür uns setze einen Fuß ins Toiletteninnere, da reißt es mir die Beine weg und ich finde mich in unappetitlicher Umgebung wieder und habe Mühe, mich schnell hochzurappeln. Die Aktion sorgt bei meinen Mitreisenden für starke Erheiterung, ich muss jedoch meine geliebte Trekkinghose vorerst entsorgen und in schnöden Trainingsbuchsen weiterwandern.

day 10

WE ARE MOUNTAIN!


Der Tag beginnt nicht schön. Nachdem ich während der Kurzschlafphasen schon vom Hubschrauberabtransport geträumt habe (Landeplatz genau gegenüber), scheint mir der Zustand vom jüngsten Kind jetzt echt bedrohlich. Er hat Fieber, sieht aus wie Spinat und Spucke und kündigt an, den Abstieg nicht zu schaffen. Ich rede wie mit Engelszungenauf ihn ein, füttere ihn wie eine Vogelmutter ihr Junges mit SChokolade und Dextro. Glücklicherweise betrachtet Khumar die Misere etwas abgeklärter als noch gestern. (Erst später gesteht er, dass er auch die ganze Nacht wachgelegen hat.) Er weiß, dass es von nun ab nur noch bergab geht und hofft, dass die Beschwerden sich beim Runterwandern verringern.
Der Guideguide hat natürlich Recht.Zuerst müssen die Träger noch stützen und V. nutzt jede Gelegenheit, um sich zu setzen. In einer deutschen Bäckerei stopfen wir ihm Milchbrötchen in den Rachen und er verlangt Pringles und Cola. Pringles und Coke wirken Wunder.
Wir erreichen in einem ziemlich stabilen Zustand die "Nak and Yak-Lodge" und zu unserer großen Freude erwarten uns herrliche Zimmer mit wunderbarer Aussicht UND heißes Wasser.
Die erste Dusche (+Haarwäsche!) seit Tagen - man fühlt sich wie ein neuer Mensch.
Ich kann mich endlich wieder entspannen, genieße das Gefühl, die Tour einigermaßen bewältigt zu haben, den Spaziergang durchs Dorf, Yakkäse und Yakfleisch und die Aussicht auf einen schönen Abend.
Wir essen lecker zu Abend und sitzen dann noch lange mit den Guides/Trägern bei Mustang-Coffee und Roxy zusammen. Khumar wirkt entspannt und hat einen kleinenSchwips. Wir haben viel Spaß, als er uns demonstriert, wie er uns zu Beginn der Tour wahrgenommen hat. Zwei männlichen Einzelreisenden, die sich weigern, um den Tisch herumzurücken, damit alle Platz haben, erklärt er höflich, aber sehr bestimmt, dass wir hier MOUNTAIN (nicht Kathmandu und nicht POKHARA) sind und sich ein solches, einzelschicksalvorschützendes Verhalten nicht gehört. Recht hat er.
Die Nacht ist ganz still und ruhig und warm.

day 11

Dhunche / AT THE BARBER'S


Die meisten von uns ahnen und einige wissen, dass es jetzt in Sachen Lodge gar nicht mehr besser werden kann / wird. Wir trödeln also ganz gewaltig durch den Morgen, frühstücken Fladenbrot mit Spiegelei und erst als die guides schon gespornt und gestrichen vorm Eingang stehen, brechen wir auf.

Wir steigen wieder über 1000 m ab, das Dorf Dhunche (1940m) haben wir schon am gestrigen Tag im Tal liegen sehen, zum Greifen nah. Allerdings wird der Abstieg doch schwieriger und langwieriger als angenommen (Die veranschlagten 4 Stunden reichen nicht ganz aus, aber das macht nix.), sogar mir tun diesmal die Knie weh. Wir genießen, ein bisschen wehmütig diesmal, denn alles schmeckt nach Abschied, die dichten Rhododendronwälder und beobachten sogar Affen. Ich vermute, es handelte sich um Hanuman-Languren, kleine meerkatzenähnliche Viehcher.

Schließlich, nach einer Abschluss-nepali-flat-Strecke, erreichen wir zunächst die Mineralwasserfabrik von Dhunche und schließlich das Dorf, das eigentlich nur aus einer Straße und vielen Häusern links und rechts derselben besteht. Unsere Lodge sieht aus wie die Residenz eines Zuckerbarons, himmelblau mit allerlei Zierrat. Die Kinder bekommen recht schöne Zimmer mit Bad, ich dagegen sitze in einer sehr gewöhnungsbedürftigen Kemenate ohne Dusche und WC.

Der Nachmittag wird lang, denn das Dorf hat man in zehn Minuten erkundet.

Die männlichen Teilnehmer der Gang verfallen daher u.a. auf die Wahnsinnsidee, sich beim örtlichen Barbier die Gesichtsbehaarung abschnitzeln zu lassen. Ich lasse mir berichten, dass ein scharfes Rasiermesser an der Gurgel ein ambivalentes Gefühl hervorruft, muss aber auch anmerken, dass die Gesichter meiner Reisegefährten glatt sind wie die Babypopos und, dass dieser Zustand auch eine Weile anhält.

Den Abend verbringen wir in der verglasten Dachterrasse mit Rum und einem letzten Blick auf schneebedeckte Bergketten.

day 12

BAD NEWS


Überraschenderweise verbringen wir eine angenehme, ruhige Nacht in der Rattenburg. Ich kann nach dem Aufwachen beobachten, wie unser Busfahrer das Vehikel putzt und sehe der Abreise recht gelassen entgegen.

Zunächst gibt es aber noch Glückwünsche, kleine Geschenke und einen leckeren Kuchen, denn M. hat Geburtstag. Königstochter Jüngster kann seinen Verdauungstrakt mit Hilfe der ihm zugeteilten Schokotorte endgültig stabilisieren, was - der Überschrift widersprechend - eine der guten Nachrichten des Tages ist.

Die Rückfahrt verläuft ähnlich abenteuerlich wie die Fahrt in die Berge, ich würde sogar einschätzen, dass die Anzahl der zu passierenden Bergrutsche noch höher ist. Die an den Fenstern vorüberziehende Landschaft indes ist wunderschön, die Ausblicke sind spektakulär. Wir halten an einem Straßenrestaurant und es gibt für alle Dal-Bhat. Küche und Freiluftgastraum wirken auf mich etwas befremdlich, sodass ich auf meine Portion verzichte. Zu Unrecht, wie sich später rausstellt, denn alle, die mit Appetit geschmatzt haben, beklagen sich NICHT über Nach- oder Nebenwirkungen.

Es geht alles glatt und wir schaffen die Fahrt in sechs Stunden, was wohl eine gute Zeit ist.

In Kathmandu nehmen uns die Leute von Social Tours freundlich in Empfang und es gibt wahlweise Cola oder Fanta, was die lemon-tea-geschädigten Kinder besonders freut. Allerdings wartet auf uns Erwachsene eine niederschmetternde Nachricht, die leider für immer einen Schatten auf diese Reise werfen wird. Eine befreundete Familie, die zur gleichen Zeit wie wir im Land ist und auf die wir eigentlich noch am Abend treffen sollen, ist bereits wieder zu Hause, da der Vater beim Klettern tödlich verunglückte. Wir sind erschüttert und im Laufe des Abends reden wir immer wieder über diese Katastrophe. Unvorstellbar, dass wir eine so schöne Zeit verbrachten, während eine andere Familie etwas dermaßen Tragisches erleben musste.

Wir checken erneut im Anapurna-Guesthouse ein, allerdings bekommen wir neue Zimmer, ganz oben auf dem Dach, sodass wir eine grandiose Sicht auf die Stadt haben.

Wir entschließen uns, am Abend den Durbar-Square zu besichtigen und stürzen uns ins Menschengedränge. Es tut gut, pulsierendes Leben zu spüren.
Wir sehen u.a. den alten Königspalast, die Hanuman-Statue, den Taleju-Tempel und den Kumari Bahal.

Die Kumari, eine Kind-Göttin, die als Erscheinungsform Durgas gilt, lebt in diesem reich verzierten buddhistischen Klosterbau. Sie wird aus bestimmten Kasten ausgewählt, muss "gut"(> Wimpern wie eine KUH) aussehen und sich bei "Tests"(> dunkle Räume, Männer tanzen mit Masken) besonders unerschrocken zeigen. Bis zur ersten Blutung bleibt das Mädchen ausschließlich im Kloster, abgesehen von wenigen Ausflügen, bei denen es getragen wird, um nicht verunreinigenden Boden zu berühren. Nach ihrer Amtszeit muss die Kumari das Kloster verlassen und bekommt vom Staat eine kleine Pension. Ehemalige Kumaris werden selten geheiratet, da es Unglück bringen soll, eine ehemalige Göttin zu ehelichen.

Von Zeit zu Zeit zeigt sich die Kumari am Fenster. Wir haben Glück und sehen sie. Allerdings haben wir weniger den Eindruck, dass wir da eine lebendige Göttin sehen. Die Kleine, reich geschmückt und stark geschminkt, wirkt eher genervt und schlecht gelaunt. Wir diskutieren am Abend noch lange über sie und, bei aller Faszination, bedauern wir sie ein wenig.

Abendessen gibt es im "Garden of JOY", wo man sehr nett sitzt. Das Essen ist lecker, der Service eher mäßig.

day 13

Bhaktapur/Patan


Ich verbringe ein schlaflose Nacht. Auch der morgendliche Blick über die Dächer der Stadt vermag mich nicht zu beruhigen.
Wir treffen uns zum Frühstück in einer Kaffeerösterei und ein ausgiebiges Essen wird nur kurz von einem schrecklichen Knall unterbrochen, der, wie wir glauben, vielleicht ein Kurzschluss war. Wer jemals einen Blick auf das Stromleitungswirrwarr von Kathmandu geworfen hat, wird diese These ganz sicher bestätigen.

Img_4474

Schließlich fahren wir mit einem guide nach Bhaktapur, die drittgrößte Stadt des Tales. Sie liegt ca. 16 km östlich von Kathmandu und hat ca. 50 000 Einwohner, die meisten von ihnen Newar-Hindus. Unser guide spricht viel über die Töpfer, die in der Stadt leben. Einige von ihnen sehen wir auch, da aber gerade Reisernte ist, stehen auf den Plätzen und Straßen keine Töpferwaren, sondern der Reis ist zum Trocknen ausgelegt. Es ist ein Schauspiel, die Menschen beim Einbringen der Ernte zu beobachten.

Img_4326

Auch Bhaktapur hat einen Durbar-Square, der mir aber viel mehr Mittelpunkt der Stadt zu sein scheint als der von Kathmandu. Wir sehen den Shiva-Tempel, den (nachgebildeten) Yaksheshvara-Tempel und den Vatsala-Temepel. Besonders gefallen mir die von Tierstatuen gesäumten Treppen hinauf in die Heiligtümer. Der Nyatapola-Tempel ist der größte in Bhaktapur. König Bhupatindra Malla ließ ihn errichten.Auch der Aufgan gzu diesem Tempel wird von Statuen flankiert, deren Kraft sich jeweils potenziert. Es beginnt mit Ringern, dann folgen Elefanten, Löwen und Fabeltiere mit Klauen. Den Abschluss bilden Göttinnen.
Insgesamt eine fremde Welt, in der (die?) man sich gern treiben lässt. Ich gebe es beizeiten auf, den Reiseführer zu studieren und bschränke mich darauf, die Atmosphäre des Ortes zu genießen, Menschen zu beobachten und meinen Gedanken nachzuhängen.

Wir kaufen auch ein bisschen ein in Bhaktapur, Tücher und ein schönes Mandala.

Die Mittagszeit verbringen wir auf einer organic farm außerhalb der Stadt im Grünen, wo man uns das leckerste Essen kredenzt, das ich seit langem zu mir genommen habe. Der grüne Salat mit Vinaigrette ist dermaßen sensationell, dass ich es eigentlich bis heute nicht fassen kann, außerdem gibt es Blumenkohl-Kartoffel-Curry, Pasta und als krönenden Abschluss Holunderblüteneis. Der ganze Ort, nicht nur die Toilette (!), die so manche Überraschung bereithält, muten seltsam unwirklich und sehr un-nepalesisch an, aber es ist entspannt und ganz und gar wunderbar.

Nachmittags sind wir in Patan (auch Lalitpur genannt), einer vorrangig buddhistischen Stadt. Sie soll vom buddhistischen Kaiser Ashoka gegründet worden sein. Der buddhistischen Charakter der Stadt zeigt sich vor allem in ihren vielen Klöstern. Wir lassen uns wieder treiben, sehen den Goldenen Tempel, das Kloster Uku Bahal und den Tempel der tausend Buddhas, den ehemaligen Königspalast und alte Brunnenanlagen.

Auf der Rückfahrt nach Kathmandu gibts noch eine kurze Pause im Karma-Coffee-Shop, zu Abend essen wir im Rum-Doodle, wo wir auch die restlichen Reisegrüppchen, die auf anderen Strecken unterwegs waren, wiedertreffen. Es ist laut, zu laut für meinen Geschmack, und so flüchten wir (mit dem köstlichen Rum, ich gestehe) aufs Dach und reden dort noch lange über uns und die Dinge, die uns bewegen.

day 14

Pashupatinath/Bodnath


Img_4408

Pashupati, eine Erscheinungsform Shivas, ist Schutzgott der Herrscher. Bis zur Abdankung schloss der nepalesische König jede seiner Reden mit den Worten "Möge Gott Pashupati uns beschützen!"Der Pashupati-Tempel im Nordosten der Hauptstadt ist bedeutendste hinduistische Heiligtum Nepals.

An unserem letzten Nepal-Tag führt uns unser Weg hierher. Ein Besuch, der verändert. Wir stehen am Ufer des (ziemlich schmutzigen)Bagmati-Flusses und schauen hinüber zum Tempel, der nur für Hindus zugänglich ist. Wir bewundern aus der Ferne die Pancadevala-Tempelanlage und Votiv-Linga-Tempelchen. Und natürlich sehen wir die Ghats, an denen Leichen verbrannt werden. Aufwändig hergerichtete Sadhus lassen sich von Touristen fotografieren und Affen zoffen sich mit ganzen Heerscharen von herrenlosen Hunden. Über allem liegt ein dichter Qualm, der von den Verbrennungen herrührt. Ein seltsamer, düsterer Ort ist dies. Und dennoch ein friedlicher, der (mich) daran erinnert, dass man manche Dinge so nehmen muss, wie sie sind. Es ist sinnlos, sich allem entgegenstellen zu wollen - und es kostet (zu viel) Kraft. Das Leben fließt dahin wie der Bagmati-Fluss, in den die Asche der Verstorbenen gekippt wird. Kinder spielen an dessen Ufer und Frauen waschen Wäsche imtrüben Wasser. Man steht auf dem Mrigasthali-Hügel und beobachtet das Treiben.

Wir sind lange in Pashupatinath, können uns der Faszination des Ortes nur schlecht entziehen.

Dann wandern wir durch den Mrigasthali-Hain und Wohngebiete hinüber nach Bodnath. Bodnath ist das bedeutendste buddhistische Heiligtum des Kathmandutales. Der Bodnath-Stupa ist mit 40 Metern Durchmesser der größte Sakralbau dieser Art. Schon von Weitem sieht man die Gebetsfahnen und die aufgemalten Buddha-Augen.
Im Gegensatz zu Pashupatinath ist dies ein heller, heiterer, schöner Ort. Wir umkreisen den Stupa, beobachten Mönche, Nonnen und Tauben, drehen an Gebetsmühlen und genießen die lebensbejahende Atmosphäre des Ortes.

Img_4454

Am Abend treffen wir uns im "MOKSH", einer Jazzkneipe, zur Abschiedsparty. Einer der Musiker von "1974 AD" bewirtet uns mit Bratwurst, Kartoffelsalat und deutschem Brot. Insgesamt ein schöner Abend, schön auch deshalb, weil wir Khumar, unseren Bergführer noch einmal treffen. Es gibt Musik, Feuer, guten Wein und lange Gespräche.

day 15

TIME TO SAY FAREWELL


Der letzte Tag. Allen ist das Herz schwer. Noch einmal blicke ich am Morgen über die Dächer der Stadt. Die schneebedeckten Gipfel sind heute nicht zu sehen, als wollten sie uns den Abschied erleichtern. Wir frühstücken in einer Bäckerei, die einen Dachgarten besitzt. Noch einmal können wir das Treiben in den unter uns liegenden Straßenzügen bewundern. Wie fremd die Stadt uns anfangs war. Jetzt ist sie uns vertraut. Noch einmal spazieren wir durch Thamel zum Durbar-Square. Wir kaufen noch ein paar Dinge, die uns zu Hause an dieses Stückchen Welt erinnern werden.
Gegen Mittag fahren wir zum Flughafen. Aus dem Flugzeugfenster erhasche ich einen letzten Blick auf die Berge des Himalaya. Ich verabschiede mich im Stillen. Aber ich komme wieder. Ganz sicher

http://www.youtube.com/watch?v=iG_lNuNUVd4

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren